"Blütenzweig"
Gelatinesilber Kontaktabzug (Bromid Lithprint) auf Agfa Record Rapid 111 (1980er Jahre), Selenium getont
signiert, datiert, editiert und gestempelt auf Museumskartonrückseite
Die Kirschblüte, besonders in Japan als Sakura verehrt, ist ein zentrales Symbol für die Vergänglichkeit des Lebens (mono no aware), ein Motiv, das sich tief in der japanischen Kultur und Kunst widerspiegelt und oft als Sinnbild für die Flüchtigkeit der menschlichen Existenz steht. In der japanischen Malerei findet sich die Kirschblüte besonders in Ukiyo-e-Drucken der Edo-Zeit (1603–1868) von Künstlern wie Utagawa Hiroshige oder Katsushika Hokusai, wo sie nicht nur Landschaften ziert, sondern auch emotionale Stimmungen vermittelt. Als Symbol eines idealisierten, schönen, aber kurzen Lebens zeigt sich die Blüte auch in den Motiven der Vanitas in der europäischen Barockmalerei, etwa in Form verwelkender Blumen und Totenschädel, die ebenfalls auf die Vergänglichkeit des Lebens hinweisen.
In der Moderne ist die Kirschblüte ein zentrales Motiv der japanischen Identität und wird auch international als Symbol für Schönheit, Naturverbundenheit und Frieden verstanden. Sie findet sich in zeitgenössischer Kunst, Design und Popkultur wieder – vergleichbar mit der Rose in der westlichen Kunst, die je nach Kontext Liebe, Schmerz oder Tod symbolisieren kann.
Ein besonders aufschlussreicher kunsthistorischer Vergleich zur Symbolik der Kirschblüte findet sich im europäischen Jugendstil am Beispiel von Gustav Klimts Werk Der Lebensbaum (1905–1909). Klimt greift damit ebenfalls Themen wie Wandel, Werden und Vergehen auf. Beide Bildmotive – die blühende Kirschblüte und der verzweigte Lebensbaum – stellen die Zyklen der Natur ins Zentrum ihrer Ästhetik.1 Inhaltlich verbindet Klimts Lebensbaum eine philosophische Tiefendimension mit ästhetischem Reiz, ähnlich wie die Kirschblüte im japanischen Denken mit dem Konzept des mono no aware, der "zarten Traurigkeit über die Vergänglichkeit", verknüpft ist.2 So spiegelt sich in beiden Bildwelten die Vorstellung, dass Schönheit untrennbar mit Vergänglichkeit verknüpft ist.
Ebenfalls auf Vergänglichkeit referenziert Waldbauer mit der Verwendung von langsam in Vergessenheit geratender analoger Aufnahmetechnik und Ausarbeitungsmethoden. Er nütze natürliches Licht als Beleuchtung und eine 8x10-Inch-Großformatkamera für die Aufnahme. Der Abzug wurde als Kontaktkopie hergestellt, dabei wird das Negativ direkt auf das Fotopapier gelegt und belichtet. Die Größe des Abzugs entspricht somit der Größe des Negativs und somit dem ursprünglichen Abbild in der Kamera. Diese sehr direkte Art der Herstellung von Fotoabzügen hat eine lange Tradition und geht zurück bis zu den ersten Fotografien.
Als Fotopapier verwendet Waldbauer alte Schwarz-Weiß-Papiere, wie dieses "Record Rapid 111" des deutschen Herstellers Agfa (Bayer-Leverkusen) aus den 1980er Jahren. Die Nummerierung 111 steht für ein kartonstarkes, weißes, glänzendes Barythpapier. Die erste Ziffer (Hunderterstelle) gibt dabei die Papierstärke an – 1 bedeutet kartonstark. Die zweite Ziffer gibt Auskunft über die Farbe – 1 steht für weiß, 2 für chamois und 3 für elfenbein. Die dritte Ziffer sagt etwas über die Oberfläche aus – 1 steht für glänzend, 2 für halbmatt, 3 für matt, 4 für edelmatt.3
(Christoph Fuchs, 2025)
Anmerkungen:
1
Tobias G. Natter, Gustav Klimt – The Complete Paintings, Köln 2012, S. 288–290.
2
Kakuzō Okakura, The Book of Tea, New York 1906), S. 52–54.
3
Foto Vogel, Grundlagen der Schwarz-Weiß Fotografie. Die Kennzeichnung von Fotopapieren, http://www.fotovogel-mg.de/Papiere_1.htm (4.5.2024)