Ausstellung
Bilder – ein kollektives Gedächtnis
Die Galerie Eboran präsentiert einen Einblick in die Sammlung SpallArt. Der amerikanische Fotograf Andrew Phelps wurde eingeladen, eine Ausstellung mit Fotografien aus der bedeutenden österreichischen Sammlung zu kuratieren.
In einer interaktiven Ausstellung werden Fotografien von historischen Meistern wie Berenice Abbott, Carleton Watkins, W. H. Jackson, Harry Callahan, Robert Capa und Eadweard Muybridge neben zeitgenössischen Fotografien von Erwin Wurm, Olaf Otto Becker, Hiroshi Sugimoto und vielen anderen gezeigt. Diese Ausstellung kontextualisiert die zahlreichen Facetten sozialer Medien und Online-Bilddatenbanken, welche heute die Art und Weise, Fotografien zu betrachten und aufzuspüren, beeinflussen.
Konzept der Ausstellung ist eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit einem fast 130 Jahre alten Phänomen, der Optographie. Bei der Optographie soll ein Optogramm, also ein Bild auf der Netzhaut des Auges, gesehen oder auch abgerufen werden können. Ende des 18. Jahrhunderts versprach die Optographie, als neuer forensischer Forschungsansatz, die Verbrechensaufklärung zu revolutionieren. Die Annahme, dass das Auge das letzte Bild vor dem Tod „aufzeichnet“, war in der Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts so weit verbreitet, dass die Polizei bei Mordermittlungen die Augen der Opfer fotografierte. In der Hoffnung, diese Theorie würde sich bewahrheiten.
Der deutsche Physiologe Franz Christian Boll entdeckte das Rhodopsin oder „Sehpurpur“, ein Sehpigment in den Stäbchen der Netzhaut. Damit zeigte er, dass unter idealen Bedingungen Rhodopsin wie ein Fotonegativ „fixiert“ werden könne. Wir alle haben dieses Phänomen bereits erlebt, wenn wir einige Minuten lang auf ein sehr kontrastreiches Bild blicken und dann die Augen schließen, so sehen wir weiterhin ein Negativ dieser Form. Obwohl diese Idee auf einer wissenschaftlichen Basis beruht, hat die Optographie als forensisches Verfahren nie ihr Versprechen eingelöst.
Es ist kein Zufall, dass das Interesse Bilder zu „fixieren“ im Zeitalter der industriellen Revolution aufkam. In einer Zeit, in der auch die Fotografie entstand, und in der sich Europa für die Anwendung von Mechanik und Wissenschaft begeisterte, um einer rasch wachsenden Gesellschaft Ordnung und Aufklärung zu bringen.
Wir überspringen 100 Jahre und befinden uns jetzt in einer Zeit des groß angelegten Sammelns und Speicherns von Bildern, unvorstellbar noch vor einigen Jahrzehnten. Das digitale Bild, latent auf eine Festplatte gebrannt, ist in vielerlei Hinsicht genauso abstrakt und immateriell wie ein auf unsere Netzhaut gebranntes Bild.
Wenn man das Internet als kollektives Archiv von Bildern und Wikipedia als kollektives Gedächtnis betrachtet, so wären die Algorithmen des Computerprogramms das „Sehpurpur“ – latente Bilder in einem Zustand der Schwebe. Was geschieht nun, wenn wir diesen Prozess umkehren, mit dem Algorithmus beginnen und nach Form und Gestalt suchen?
Das technische Verfahren der Präsentation von Werken aus der Sammlung SpallArt ist das Sichtbarmachen dieser Algorithmen, ein „digitales Sehpurpur“.
Jedes Bild in der Ausstellung wird von einem QR-Code begleitet, der uns auf eine Webadresse (URL) führt, in eine Meta-Ebene der Ausstellung. Mit Hilfe der Google Bildersuche wurden Bilder zusammengestellt, die einen nahezu identischen Algorithmus zum Foto an der Wand enthalten. Obwohl der Suchvorgang vollkommen objektiv und mathematisch ist, werden die Bilder basierend auf Überlegungen angeordnet, die der Auseinandersetzung mit visueller Ästhetik, Kontrast, Zusammensetzung, Formen, Farbe etc. innewohnen. Die Kamera wird als „demokratisches“ Auge bezeichnet, welches nicht urteilt, sondern unter Verwendung von Licht und Optik ein Objekt vor der Linse aufnimmt. Die an zufälligen Orten im Internet gefundenen Bilder sind das Ergebnis dieses demokratischen Prozesses, digitale Algorithmen zu vergleichen.
Eboran Galerie
Ignaz-Harrer-Straße 38, 5020 Salzburg
www.eboran.at
Eröffnung: 28. September 2016, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 29. September bis 4. November 2016
Künstler
Berenice Abbott, James Craig Annan, Nobuyoshi Araki, Olaf Otto Becker, Felix Bonfils, Harry Callahan, Robert Capa, Franz Fiedler, Nguyen Ngoc Hanh, Bernhard Hosa, William Henry Jackson, Martin Klimas, Julia Meiners-Bölken, Eadweard Muybridge, Arnold Odermatt, Karl Peters, Agnes Prammer, Oskar Schmidt, Rosa Brückl & Gregor Schmoll, Bastian Schwind, Hiroshi Sugimoto, Miroslav Tichy, Burk Uzzle, Pablo Picasso & André Villers, Carleton Eugene Watkins, Erwin Wurm