"Digital Surroundings"
Digital Video (miniDV), Farbe, Ton, 11:14min
zertifiziert/ auf DVD signiert, betitelt, datiert und nummeriert
Die Analogie ist nachvollziehbar, das erzielte Ergebnis verblüffend: In seiner Arbeit mit dem Titel "digital surroundings" assembliert Hubert Blanz eine Anzahl ausrangierter und bestückter CPU-Platinen patchworkartig zu einem "Teppich", dessen Gewebe durch die vielgestaltigen Bauformen der auf die Trägerplatinen gelöteten Elektronikbauteile über ausgeprägte und differenzierte plastische Qualitäten verfügt. Dieses Gewebe dient Blanz im wahrsten Sinne des Wortes als Hardware für eine räumlich-assoziative Annäherung. Die Analogie entsteht durch die Interpretation der assemblierten Konfiguration als stadträumliches Gefüge, als Morphologie einer gewachsenen Stadtlandschaft. Um diese Stadtlandschaft wahrnehmungsmäßig zu erschließen, versetzt Blanz den Betrachter in die Perspektive eines Helicopterpassagiers, der über das artifizielle Gefüge fliegend von jenem Gefühl durchdrungen wird, das Christoph Asendorf in seinem Buch "Super Constellation" als Raumrevolution beschrieben hat, die ausgelöst durch Luft- und Raumfahrt seit Beginn des 20. Jahrhunderts unsere Sehgewohnheiten radikal verändert hat. "Super Constellation" ist der Name für die legendären Langstreckenmaschinen der Firma Lockheed, die bis Ende der 50er Jahre die Zivilluftfahrt prägten und für Asendorf stellvertretend für die gesamte Epoche der Luft- und Raumfahrt ein Begriffsfeld definiert, das sich erst mit dem Blick aus den Fenstern eines Flugzeugs konstituierte. Was sich zuerst als finale Neu-Kartographierung der Welt durch das virtuelle Netzwerk der Fluglinien abzuzeichnen schien, ist mittlerweile mit dem Word Wide Web um die Dimension eines weiteren globalen Netzwerks erweitert worden, das nicht nur unsere Sehgewohnheiten und Raumwahrnehmung sondern darüber hinaus nachhaltig und global das Erscheinungsbild gebauter Stadtlandschaft determiniert und somit nicht ausschließlich rein virtueller Natur ist. Um dieses Leitmotiv zu thematisieren und visuell am
Objekt festzumachen, befreit Blanz die operative Entität des einzelnen Elektronikbauteils vom funktionalen Kontext, steigert dessen physische Präsenz mit einem Maßstabssprung und vermittelt damit dem Betrachter die verblüffend echt erscheinende Illusion real existierender Stadtlandschaft. Dass es sich bei der positivistischen Idylle des totalen Überblicks und dem damit verbundenen Anspruch umfassender Kontrolle um eine Selbsttäuschung handeln könnte, vermittelt uns die Präsenz des dem visuellen Flug-Ereignis unterlegten Sound-Environments, das getragen vom Modulationen unterworfenen und für Helicopter typischen Rotorengeräusch, ein Gefühl des Ausgesetztseins generiert; einer Bodenlosigkeit mit den Folgen psycho-sozialer Destabilisierung. Die Präzision des realen Ereignisses und dessen Simulation müssen nicht zwangsläufig einen plumpen Realismus zur Folge haben. "digital surroundings" verfügt auch über eine metaphysische Dimension. Fehler im System sind vorprogrammiert.
(Wolfgang Fiel)