Ansicht vorne
Inv. Nr.S-0636
KünstlerWilhelm von Gloedengeb. 1856 in Volkshagen, Deutschlandgest. 1931 in Taormina, Italien
Titel

"Taormina"

Jahr1919, vintage
Technik

Mattalbuminabzug auf Büttenpapier

Bildgröße39 x 28 cm
Signatur

vorderseitig signiert, datiert (Tinte); rückseitiger Sammlungsstempel (Sammlung Franz Toth)

Kommentar

Der deutsche Fotograf Wilhelm von Gloeden wird der Piktorialismus-Bewegung zugerechnet und ist für seine einflussreiche und kontroverse Arbeit in der Porträt- und Aktfotografie bekannt, besonders für seine Fotografien junger Männer. Aufgrund gesundheitlicher Probleme ließ er sich dauerhaft in Taormina in Sizilien nieder. Die Landschaft, das Licht und die mediterrane Kultur inspirierten ihn zu seiner Arbeit. Taormina war damals eine beliebte Destination für europäische Intellektuelle, Künstler:innen und Reisende.
Von Gloeden wurde durch seine inszenierten Fotografien bekannt, die oft junge Männer aus der Region darstellten, teils unbekleidet oder in antiken Gewändern. Diese Bilder sind von der Ästhetik der Antike geprägt und erinnern an klassische Gemälde oder Skulpturen. Er benutzte dabei Requisiten wie Lorbeerkränze, Amphoren und Säulen, um die Szenen antikisierend zu gestalten. Seine Fotografien zeichnen sich durch sorgfältige Komposition und Beleuchtung aus, die seine Werke kunstvoll und malerisch wirken lassen. Von Gloeden arbeitete mit einer damals üblichen Plattenkamera, die eine lange Vorbereitungs- und Belichtungszeit erforderte. Die Szenerie musste daher sorgfältig geplant und inszeniert werden. Dies mag zur großen, fast archaischen Ruhe beigetragen, die seine Bilder ausstrahlen. Er war einer der ersten Fotografen, die Aktaufnahmen im Freien machten. Das verwendete Kollodium-Nassverfahren erforderte, dass die Glasplatte vor Ort, unmittelbar vor der Aufnahme sensibilisiert werden mussten. Nach der Belichtung musste das nur kurz haltbare latente Bild auf den Glasplatten sofort entwickelt werden, so dass von Gloeden eine Art mobile Dunkelkammer mitführte. Er hinterließ etwa 3.000 Fotografien, von denen der größte Teil nach seinem Tod während des faschistischen Regimes unter Mussolini zerstört wurde, da sie als unsittlich und pornografisch galten.
In den 1960er-Jahren wurde Gloeden im Zuge der sexuellen Revolution wiederentdeckt. Seine Fotografien wurden unter anderem 1977 auf der documenta 6 in Kassel ausgestellt. Künstler wie Robert Mapplethorpe, Cecil Beaton, Andy Warhol und Bruce Weber schätzten und sammelten seine Fotografien. 1978 fertigte der Künstler Joseph Beuys ein Multiple unter dem Titel Von Gloeden-Postkarten, bestehend aus 13 Motiven von Von Gloeden mit Bleistiftzeichnungen versehenen, signierten und nummeriert als Postkarten.
Wilhelm von Gloeden gilt heute als Pionier der künstlerischen Aktfotografie. Seine Arbeiten haben einen wichtigen Platz in der Geschichte der Fotografie bilden eine Schlüsselrolle in der lgbtq+ Kunstgeschichte. Von Gloeden wird als Künstler angesehen, der die Grenze zwischen Kunst und Tabu überschritt und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Fotografie als Kunstform geleistet hat. Dieser Abzug stammt aus der Sammlung des deutschen Fotografen und Fotohistorikers Franz Toth.
(Christoph Fuchs)

S-0636, "Taormina"
Wilhelm von Gloeden, "Taormina", 1919
S-0636, Ansicht vorne
S-0636, Abbildung verso
Wilhelm von Gloeden, "Taormina", 1919
S-0636, Abbildung verso