ohne Titel
Nr. 5
Positiv-Direktabzug (von Lochkamera) auf Karton
"Was passiert, wenn ich den Versuch starte, alles rund um mich herum auszuschalten, mich nicht mehr bewege und mich nur auf mich konzentriere?" Aus dieser Intention heraus lud Sophie Pölzl für "20 Minuten" verschiedene Personen ein, für 20 Minuten still vor einer Lochkamera zu posieren. Der Apparat ist mit Direkt-Positiv-Papier 4 x 5 bestückt, die Kassette wird geöffnet und ein Lichtbild wird auf ein lichtempfindliches Material projiziert, dort dann direkt und dauerhaft fixiert. Ein visuelles Anhalten der Zeit als "vollkommene geronnene Stille" (Holmes). Verschiedene Zeitsysteme können im fotografischen Bild geborgen werden: Momentaufnahmen, die als blitzartiges Anhalten der Zeit erscheinen oder aber lange Belichtungszeiten. Die Zeitbelichtung erfasst eine längere Dauer, ein "gleichsam in das Bild hinein wachsen, hinein leben" (Benjamin) und macht so das Bild zum Raum einer spezifischen, ‚seltsamen Erfahrung von Zeit. Nach und nach tritt die zu Beginn vielleicht noch wichtige posierende Haltung vor der Kamera in den Hintergrund. Anderes wird nun im Prozess des fotografischen Aktes zentral: unmittelbares Zulassen und Eintauchen in eine individuelle Gedankenwelt. Die fotografierten Personen wurden während des Fotografierens, körperlich ruhig: stillhalten, innehalten in einer dynamischen, schnelllebigen und sich ständig verändernden Zeit. Im Gedanken waren unterschiedliche Bewegungen möglich. Diese abstrakten gedanklichen Aktionen und Reaktionen schreiben sich durch die lange Dauer ins Bild ein, als spezifische Einstellungen, Haltungen und Empfindungen.
Anja Manfredi