ohne Titel
Keilrahmen, Lack, Dispersion, Metallwinkel und Schrauben, Holzrelief, geschnitzt und lackiert mit Holz-Einzäunung
gesamt 200x100x100 cm
Expertise von Johann Widauer, 20.1.1998
Der Titel der Serie "Don't wake up Daddy" leitet sich von einem Kartenspiel ab, dessen Vergnügen offenbar in der "Befriedigung kleinerer Wünsche unter Androhung von Strafe" besteht. Zehn Klangquellen (ein Trommlerjunge, ein Baby, eine Katze usw.) werden von einem Tiroler Holzschnitzer als Holzplatten geschnitzt und bemalt. Vor jeder dieser Tafeln befindet sich ein kleiner eingezäunter Bereich, der auf Kleingärten verweist, die der Stadt gehören und an ihre Bürger verpachtet werden (auf Deutsch Schrebergarten, nach dem Vater von Freuds Patient Schreber). Kippenberger untersucht hier die bürgerliche Kleingartenmentalität; er spielt und verweist auf Psychoanalyse, Geisteskrankheit, Regeln, Vater-Sohn-Konflikte, soziale Konstruktionen etc. etc.
Wollen Sie mitspielen?
Es ist sicher einfach, Martin Kippenberger als einen der größten Performer und Selbstdarsteller unter den deutschen Künstlern der 1980er und 1990er Jahre zu bezeichnen, aber das wird ihm nur zum Teil gerecht. Doch selbst der Versuch, Kippenbergers Kosmos in seiner ganzen Komplexität zu beschreiben, muss scheitern. Wie kein anderer verkörpert er das Bild des "typischen Künstlers", wie kein anderer lebt er eine untrennbare Symbiose von Leben und Kunstproduktion - in all ihrer Intensität und mit all ihren Verästelungen. Sein auf permanenter Selbstbeobachtung basierendes Werk, das auch vor Scheitern, Brüchen und großen Risiken nicht zurückschreckt, gibt auch heute noch Impulse und Inspiration.
Alle seine Werke sind Selbstporträts im weitesten Sinne, sie sagen etwas über ihn, seine Lebenssituation, sein Umfeld aus - auch jene, die ihn nicht abbilden. Seine Kunst ist komplex, vielfältig, autobiografisch und selbstreflexiv; sie eignet sich an, zitiert und dekonstruiert, bevor sie etwas Neues konstruiert, das auf das Vorangegangene zurückverweist. Für Kippenberger ist der Verzicht auf seine Autorschaft, auf seine Handschrift, schon früh eine logische Konsequenz seines Denkens und Handelns, eröffnet er doch innerhalb der Kunstproduktion eine Vielzahl von Möglichkeiten - vor allem die Etablierung eines eigenen Referenzsystems. Die Radikalität, die diesen Ansatz kennzeichnet, entfaltet ein Spektrum von Optionen und stellt alles bisher Dagewesene in Frage - Originalität, Autorschaft, Wert und auch "postmodernes Wissen". Kippenberger führt diese Kritik intuitiv aus und wagt sich sogar darüber hinaus: die eine große Erzählung wird zugunsten vieler Optionen aufgegeben.
(Galerie Max Hetzler, Köln)