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Kupfer-Fotolithografie auf Epoxydharz-Glasfaser-Gewebeplatte [FR4]
Robert Bodnar – Binary Restrain
Fotografie und Objekt
„Die Fotografie“ ist eines jener Phänomene, die in unserer Zeit immer ungreifbarer und immer unbegreifbarer geworden sind. Die Tage, in denen man sie als Abzug auf einem Blatt Papier verstehen konnte sind längst vorüber, die Fotografie ist heute ein allgegenwärtiges technologisches Prinzip, ein sozialer Verhaltensmodus und vieles mehr.
Robert Bodnar ist ein Künstler, der die Grenzen des Fotografischen ständig neu vermisst. Er kombiniert traditionelle, gleichsam handwerkliche fotografische Methoden mit hoch entwickelten digitalen Technologien. Fotografische Prozesse werden installativ in den Realraum übersetzt. Material, Licht und Wahrnehmung sind die konzeptionellen Bezugspunkte von Binary Restraint. Die Bilder und Installationen verweisen sowohl spielerisch auf den Ursprung der Fotografie in den Silbersalzkristallen des Analogfilms, als auch auf die gegenwärtigen Formen der Bilder als abstrakte Information in den Leiterplatten unserer elektronischen Geräte.
Oft steht in den Diskursen über die post-digitale Fotografie die Beliebigkeit der elektronischen Bilder im Vordergrund. Die Bilderflut, Copy & Paste, komplexe Manipulationen per Knopfdruck – das fotografische Bild ist oft nur der Ausgangspunkt für eine Simulation, die scheinbar jede beliebige Form annehmen kann. Aber so frei, wie man uns glauben lassen möchte, sind die Bilder nicht. „Die Cloud“ ist keine körperlose Metaebene, sie baut auf einer riesigen industriellen Infrastruktur auf: Datenzentren mit eigenen Kraftwerken, ein weltumspannendes Netz aus Kupfer- und Glasfaserkabeln. Robert Bodnar untersucht nicht nur die Algorithmen und Interfaces, sondern vor allem den materiellen Unterbau des Digitalen. Seine Fotolithografien mit ihren filigranen Kupferlinien vor mattschwarzem Hintergrund sind mit denselben photochemischen Verfahren hergestellt, wie die Leiterbahnen auf Computerplatinen, die in der Massenproduktion ebenso belichtet und entwickelt werden, wie eine analoge Fotografie.
Das bunte Schachbrettmuster von Now I can see in colours [CFA|Bayer Classic]ist ebenfalls von einem allgegenwärtigen elektronischen Bauteil übernommen: die sogenannte Bayer-Matrix, ein System von Farbfiltern über dem Sensor einer Digitalkamera, mit dessen Hilfe das von der Kameralinse gebrochene Licht in Grün, Rot und Blau-Anteile aufgeteilt und in Daten übersetzt wird. Das dichroitische Glas lässt sich darüber hinaus als selbstähnliches Detail lesen, welches das Leitmotiv der Ausstellung in sich wiederholt. Ähnlich wie dieses zweifärbige Glas, das je nach Lichteinfall und Betrachtungswinkel in einer Farbe, deren Komplementärfarbe oder verschiedenen Interferenzen und Reflexionen erscheint, verhält es sich mit Binary Restraintauch auf konzeptioneller Ebene. Begriffspaare – wie menschliche und maschinelle Wahrnehmung, Analog und Digital – werden nicht als widersprüchlich, sondern entlang ihrer Überschneidungen und Ambiguitäten behandelt.
Bodnar kombiniert das Interesse an Technik und Naturwissenschaft mit einer Experimentierfreude und Leidenschaft, die aus seinen Arbeiten mehr macht, als nur trockene Analysen. Tatsächlich stößt man in Binary Restraintauf eine gewisse Opulenz im besten Sinne: es gibt etwas zu sehen, die Werke sind sinnlich erfahrbar. Man muss nur an die Ätzungen vonCloning Toolboxherantreten und den Blick auf die Strukturen in diesen Bildern richten, um darin die leblose, die unaufhörliche Handschrift des Computers erkennen – manchmal, die ungelenke Spur des Mauszeigers. Und die blanke Materialität des Kupfers.
Bodnar entwickelt eine eigene Bildsprache, die sich aus Fotografiegeschichte, Wahnehmungspsychologie und optischen Technologien speist. Sein historischer Kanon reicht von Fotogrammen bis hin zum Photoshop-Kopierstempel. Die Materialität digitaler Strukturen wird fassbar, die Möglichkeit dessen, wie sich fotografische Bilder manifestieren, wird erweitert.
(Johan Nane Simonsen, 2019)