„Venuše a Kupido“
Venus vor dem Spiegel von Diego Velázquez
Gelatinesilberabzug
rückseitig betitelt
Miloš Heyduk war ein tschechischer Fotograf, der vor allem für seine experimentelle Herangehensweise an die Fotografie bekannt war. In den 1950er bis 1980er Jahren arbeitete Heyduk in verschiedenen Genres der Fotografie, wobei er oft die Grenzen zwischen Fotografie und Kunst auslotete.
Venuše a Kupido (Venus und Amor) greift das mythologische Motiv von Venus und Amor auf, ein klassisches Motiv in der Kunstgeschichte, das seit der Antike in verschiedenen Medien und von vielen berühmten Künstler wie Rubens, Tizian und Boucher dargestellt wurde. Venus, die römische Göttin der Liebe und Schönheit und ihr Sohn Amor (oder Cupido) sind häufige Figuren in mythologischen Darstellungen, die sich mit Themen der Liebe, Begierde und menschlichen Beziehungen befassen.
Im Bild blickt die nackte liegende Frau auf das Gemälde Venus vor dem Spiegel (auch bekannt als die Venus von Rokeby) von Diego Velázquez aus den Jahren 1647–1651. Velázquez stellt die Venus ohne weitere Attribute mit dem Rücken zur Betrachter:in auf einem Bett liegend dar. Sie blickt in einen Spiegel, der von einem geflügelten Wesen, Amor, gehalten wird. Daran wird der göttliche Zusammenhang erkennbar. Das im Spiegel gezeigte Gesicht wird nur mehr verschwommen sichtbar.
Davor eröffnet Heyduk mit der Verdoppelung der liegenden Venus weitere Themenfelder wie Selbstwahrnehmung, Kunstbetrachtung und Kunstinterpretation. Zudem ist die Komposition eine subtile Anspielung auf die politisch repressive Situation im Tschechien der 1970er Jahre. In der Verdoppelung des Motivs der Liegenden zeigt sich eine Parallele zur strengen Zensur der Spanischen Inquisition ab 1478 zu Zeiten Velázquez. Nach der gewaltsamen Niederschlagung des Prager Frühling durch Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 folgte eine Phase der sogenannten “Normalisierung”, in der die kommunistische Partei die kulturelle Freiheit stark einschränkte.
Die tschechische Fotografie der 1970er Jahre, nach dem Prager Frühling, steht stilistisch und ideologisch fast diametral der tschechischen Avantgarde der 1920er gegenüber, dennoch verbindet sie etwas: Beide suchen nach neuen Ausdrucksformen, reagieren sensibel auf ihre Zeit und zeigen, wie mächtig und vieldeutig Fotografie sein kann – ob laut und fordernd wie in den 1920ern oder leise und symbolisch wie in den 1970ern.
Ein kleines Detail am Rande: die geometrische Position des Spiegels im Bild von Velázquez würde nicht das Gesicht der Venus zeigen – das wurde auch in einem Experiment nachgestellt.1 Vielleicht könnte es das Gesicht der Frau in der Fotografie sein?
(Christoph Fuchs, 2025)
Anmerkung
1
Diego Velázquez: The Rokeby Venus aus der Dokumentar-Serie "Private Life of a Masterpiece", Staffel 2, Episode 2, BBC Wales, 2002