Ansicht vorne
Inv. Nr.S-1810–1825
KünstlerGünter Brusgeb. 1938 in Ardning, Österreichgest. 2024 in Graz, Österreich
Titel

"Wiener Spaziergang"


Fotograf: Ludwig Hoffenreich

Mappe "Wiener Spaziergang" herausgegeben von Galerie Heike Curtze und Galerie Krinzinger
Jahr1965 / 1989
Technik

16 Gelatinesilberabzüge auf Karton, Begleittext in Leinenmappe

Bildgröße39,2 x 39,2 cm
Auflage34/35 (+5 e.a.)
Signatur

rückseitig auf Karton signiert (Bleistift) und Stempel

Kommentar

Im Jahre 1965 wagte die "Galerie der Jungen Generation" (Wien, Börseplatz) einen halbherzigen Versuch, den "Wiener Aktionismus" aus dem Untergrund zu holen. Man gab mir die Chance, eine Selbstbemalung in den Räumen der Galerie durchzuführen. Freilich verstand man das Ereignis mehr als ein Eröffnungsspektakel für meine Ausstellung "Malerei-Selbstbemalung-Selbstverstümmelung". Gezeigt wurden die im Jahre 1963 entstandenen Bilder der "Malerei in einem labyrinthischen Raum", einige Zeichnungen und etliche Fotografien meiner Aktionen von Ludwig Hoffenreich. Zur Abrundung des Ganzen ließ man nach der Aktion eine Diskussion mit einem "Expertenteam" ablaufen.
Die Vorbereitung dieser Aktion war freilich von einer mehr oder minder großen Nervosität begleitet. Otto Muehl half mir beim Einfärben meiner Gestalt. Ludwig Hoffenreich sagte zwischendurch seufzend: "Kinder, Kinder, das gibt entweder Irrenhaus oder Gefängnis!" Ich gebe zu, daß ich von seinen Visionen nicht ganz frei war. John Sailer beförderte das lebende Bild vom Perinetkeller zum Heldenplatz, wobei ich mich bei jedem Halt vor einer Ampel niederduckte. Aufgeregt verfolgten meine Frau und einige Freunde aus einer angemessenen Entfernung das Geschehen. Hoffenreich und Ronald Flei chmann fotografierten, Muehl und Schwarzkogler filmten mit einer Schmalfilmkamera. Von einer tieferen Bedeutung dieser Aktion wollte die Presse natürlich nichts wissen. Sie betrachtete meinen Auftritt als einen lustigen Werbegag für meine Ausstellung.
Mautner – ich glaube, er war Student an der Universität – beabsichtigte, eine neue Zeitschrift mit dem Titel "Le Marais" (Der Sumpf) herauszugeben. Die erste Nummer, die auch schon eine Sondernummer war, diente förmlich als Katalog zu meiner Ausstellung "Malerei-Selbstbemalung-Selbstverstümmelung". Ich nahm die Gelegenheit wahr, nicht nur meine Aktivitäten, sondern auch die meiner Freunde (Muehl, Nitsch, Schwarzkogler, Priesnitz, Schürer) hier einzubringen.
Zur Eröffnung lud die Galerie am 30. Juni 1965 mit folgenden Worten: "Liebe Freunde der Galerie, Am Dienstag, dem 6. Juli 1965 wird Günter Brus in unserer Galerie um 19 Uhr anläßlich der Eröffnung seiner Ausstellung eine Selbstbemalung durchführen. Wir sind uns der Problematik dieser Grenzfälle zeitgenössischer Malerei durchaus bewußt, halten aber ein einfaches Verschweigen dieser Dinge schon aus Prinzip für schlecht. Darüber hinaus aber mißt es diesen Bemühungen mehr Bedeutung bei als ihnen unserer Ansicht nach zukommt. Wir haben daher nach der Selbstbemalung zu einer Forumdiskussion geladen, an der unter meiner Leitung Herr Primarius Dr. Retter, Dr. Albert Massiczek und Dr. Robert Waissenberger teilnehmen werden. Wir erhoffen uns davon eine Objektivierung der Problematik. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie an diesam Abend unser Gast sein wollen. Ihr Otto Staininger"
Am Tag vor dieser Ausstellungseröffnung mit Aktion und Diskussion beschloß ich, dem Kompromißcharakter dieses Unternehmens gewissermaßen vorzubeugen, um meinen künstlerischen Absichten mehr Eindeutigkeit zu verleihen. Man könnte sagen, die zwittrige Aktivität dieser Galerie trieb mich von den Rattenkellern auf die Straße. Ich beschloß, als gleichsam lebendes Bild durch Wiens Innenstadt, vorbei an etlichen historisch bedeutsamen Bauwerken, zu spazieren. Ausgangspunkt meiner Wanderung war der Heldenplatz. Durch das Burgtor, an der Spanischen Hofreitschule und am Dorotheum vorbei, sollte meine Route bis zum Stephansplatz führen. Was dort geschehen sollte, darüber gab ich mir keine Auskunft, zu Recht ahnend, daß bald das wachsame Auge eines Hüters der öffentlichen Ordnung das lebende Gemälde erblicken und festnehmen würde. Dies geschah Ecke Bräunerstraße/ Stallburggasse. Ein Polizist führte mich zum Gaudium der Passanten in eine naheliegende Wachstube. Man nahm meine Personalien auf und ließ ein Taxi vorfahren.
(Günter Brus, aus dem Begleitblatt zur Mappe "Wiener Spaziergang", 1989)

S-1810–1825, "Wiener Spaziergang"
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
S-1810–1825, Ansicht vorne
© Günter Brus
S-1810, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1811, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1812, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1813, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1814, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1815, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1816, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1817, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1818, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1819, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1820, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1821, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1822, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1823, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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S-1824, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus
S-1825, Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
Günter Brus, "Wiener Spaziergang", 1965
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© Günter Brus