"ohne Titel"
Glocknerstraße
C-Print (analog)
rückseitig betitelt, datiert, signiert und nummeriert (Tinte)
Im Frühjahr 2001 schloss Hanns Otte seine Serie von Photographien des Speichers Margaritze unterhalb der Pasterze ab. Das Schmelzwasser des Gletschers wird dort aufgefangen und in die großen Stauseen der Kraftwerksgruppe Glockner-Kaprun gepumpt. Die Pasterze, der größte Gletscher der Ostalpen, ist innerhalb von dreißig Jahren so weit abgeschmolzen, dass seine ehemalige Ausdehnung als Spur im Gelände zurückgeblieben ist. Durch sein Verschwinden wird die Klimaerwärmung und ihre Folgen ex negativo begreifbar. Durch die Photographie lässt sich die Veränderung des Geländes ermessen, der Rückgang des Eises, den der Mensch weder steuern noch aufhalten kann, während er doch versucht, die Naturgewalt zumindest zu kanalisieren. Seit über hundert Jahren wird der Gletscher dokumentiert und photographiert, auf Film gebannt, als könnte man ihm derart Einhalt gebieten.
Die Photographien vom Gletscher sind eine Fortsetzung der Serie "Muttergestein", die Hanns Otte 1993 vom Salzburger Tennengebirge in schwarz-weiß begonnen hat. Seit 2001 photographiert er in Farbe, wodurch deutlicher sichtbar wird, was seinem Blick gilt. Das Thema der Peripherie beherrscht auch diese Serie, obwohl man das Gebirge nicht als solche bezeichnen würde. Das "Peri" in Peripherie bedeutet aber nicht nur "um - herum", sondern auch "über - hinaus". Und es ist exakt dieses Überschreiten der Grenze zwischen Natur und menschlichem Eingriff, die fluktuierende Betrachtung von Gebautem und Gewachsenem, worauf Ottes Werk stets abzielt.
(Milena Greif, Eikon, Nr. 43/44-2003)