"Kristall (What is money V/A)"
C-Print (digital) ausgeschnitten, montiert
Was verbindet Geld und Film? Wie verändern die Dinge unsere Körper und unser Zusammenleben, wie die Mittel der Zirkulation und des Austauschs unsere menschliche Kommunikation? Abseits von Herstellungsbedingungen und Ökonomien gibt es weitere Paralellen, die einer genaueren Betrachtungsweise Wert sind, denn beides - Geld und Film - sind aktuellen Veränderungen unterworfen, deren Gründe in der Virtualisierung und Digitalisierung liegen. Das analoge Kino und die Filmproduktion auf Zelluloid, die Nachvollziehbarkeit einer Bilderkonstruktion anhand von Kadern, die Kinoprojektion anhand von Licht und Nicht-Licht, wird, wie wir es seit längerem mitverfolgen, abgelöst vom digitalen Kino. Ähnliches gilt für unsere Beziehung zu Geld, dessen Materialität sich ebenfalls verändert hat: von Münze und Schein zu Daten, die auf Kredit –und Bankomatkarten gespeichert sind, als App auf dem Mobiltelefon, berührungslos an der Supermarktkasse, beim Einkaufen im Internet als Zahlencode. Der symbolische Wert des Geldes, mit dem wir zumindest noch haptischen Kontakt hatten, der mit rituellen Gesten einherging, ist in eine andere, neue Sphäre von Virtualität eingetreten. Wir haben es mit einer Abstraktion zu tun, die kommunikative und manuelle Prozesse nicht mehr körperlich nachvollziehbar werden lassen. Es stimmt, dass es einen Verlust der Gesten gibt, oder zumindest Veränderungen, die mit technologischen Erfindungen einhergehen. Beide Veränderungen,- die Materialität des Kinos und die des Geldes, betreffen den eigenen Körper, seine Beziehung zu Dingen und deren haptischen Kontakt, Formen von Kommunikation, Rituale und Gesten. Dies ist eine kritische Reflexion.
In meiner Arbeit als bildende Künstlerin besteht ein vorwiegendes Interesse an gefundenem Material in Hinblick auf den menschlichen Körper, sein mediales Abbild, seine Körpersprache und seine Kommunikation. Found Footage dient mir dabei als Ausgangsmaterial. Mein Hauptwerkzeug ist die Praxis des Schnitts, der Collage und Montage. Gesten markieren oftmals einen Zustand der Schwebe; -ein Dazwischen der menschlichen Kommunikation, in dem Bedeutungen noch nicht fixiert sind, Bewegung kein Ziel haben. „Das Kino führt die Bilder in die Heimat der Geste zurück“, schreibt Giorgio Agamben in seinem Text Noten zur Geste und beschreibt einerseits den Beginn einer Epoche,die die Kontrolle über ihre Gesten verloren hat und das Verschwinden von auffälligen Gesten im Zuge einer gesellschaftlichen Normierung. Was Agamben in Hinblick auf Aby Warburgs Atlas und Gille Deleuzes Abhandlungen über das Kino bemerkt ist, dass jedes Bild eine Geste darstellt, das „über sich selbst hinausweist, zurück auf ein Ganzes, dessen Teil es ist“ . Die Geste ist Träger und Ereignis, „das Sichtbarmachens eines Mittels als solchem. Sie lässt das „In-einem– Medium-Sein des Menschen erscheinen(...)“. Die Geste also als ein Kommunikationssystem, als Ausdruck des „Sich-nicht Zurechtfindens in der Sprache“.Gesten als Ereignis und Akt sind nicht immer kontrolliert oder intendiert. Hände sind Träger eines visuellen Vokabulars abseits der Worte, Mittler zwischen Denken und einem gesellschaftlichen und politischen Außen. Sie übernehmen die die Rolle einer Medialität, die sich, trotz aller Versuche der Lesbarkeit und Kontrolle, im Feld der Ambivalenz bewegen. Diesen offenen Handlungen in scheinbar abgeschlossenen Systemen widme ich mich in meinen Arbeiten. Der Schnitt als Praxis interessiert mich, denn er thematisiert eine Grenze und einen Bruch. Er wird bewusst vollzogen. Man praktiziert ihn auf Papier, in der Musik, im Film, in der Sprache.
Beide „Materialien“, Film und Geld, sind aktuellen Veränderungen unterworfen, die unmittelbar auch mit der Materialität, unserem haptischen Bezug und dem Körper an sich zu tun haben. Digitalisierung, Virtualisierung und technologische Veränderungen beeinflussen Kommunikation, Zirkulation und Austausch, Haptik und letztendlich unsere Körper. Nicht nur die Tatsache, dass das Geld den Film bzw. deren Produktion bedingt und eine Arbeit darüber eine Repräsentation eines geschlossenen Kreislaufs ist und das Thema der Zirkulation und des Transfers „Bilder gegen Geld“ beeinhaltet. Gille Deleuze sieht in der innerlich gewordenen Beziehung von Film und Geld eine internationale Konspiration. Er verweist einerseits auf Wim Wenders, der das Geld als Kehrseite aller Bilder bezeichnet, deren Vortderseite das Kino zeigt. So sind Filme über Geld „Filme im Film oder über den Film“ (Wim Wenders).
„Was der Film im Film ausdrückt, ist dieser infernalische Kreislauf zwischen Bild und Geld, die von der Zeit in den Austausch versetzte Inflation,(...). Der Film ist die Bewegung, aber der Film im Film ist das Geld, die Zeit.(...)Bilder gegen Geld, Zeit gegen Bilder(...), Zeit, die durchsichtige Seite, in Geld, die undurchsichtige Seite, zu verwandeln, so wie man einen Kreisel auf die Spitze kehrt. Der Film wird dann zu Ende sein, wenn kein Geld mehr da ist...(Gille Deleuze, „Die Zeitkristalle“)
(Karin Fisslthaler, 2015)