Ausstellung
Lager, Salzburg, November 2017 – März 2018
In dieser zweiten off-space Ausstellung in unserem Lager in Salzburg zeigen wir eine Auswahl an Bildern zum Thema Nacht.
Von geheimnisvollen nächtlichen Pflanzendarstellungen von Robert Zahornicky, Brett Weston und Giovanni Castell zu Landschaftsaufnahmen von Edward Weston und Marilyn Bridges. Ansel Adams Blick in die Gebirgsnacht durch den Mond erhellt im Gegensatz zu Adrian Bischoffs manipulierten Gebirgsdarstellungen. Hannes Kilians romantischem Blick auf das Meer im Kontrast zu Minor Whites abstrakter Darstellung der See und Eva Schlegels mystisch anmutender Abbildung der Nacht auf Blei. Nächtliche Stadtlandschaften von Josef Hoflehner, Fritz Simak, Max Lohr, Herbert List und Josef Sudek. Bernice Abbotts skuriles Schaufenster führt zu privaten Einblicken in die Nacht von Eliot Elisofon, Harry Callahan und Nan Goldin bis hin zum Schlaf der Liebenden von Paul Maria Schneggenburger.
Bei Interesse genügt ein E-Mail an für eine Terminvereinbarung in unserem Lager.
Die Nacht legt einen seltsamen Schleier über die Welt. Gewohnte Wege scheinen in der Dunkelheit neu entdeckt werden zu können. Gleichzeitig assoziiert man mit der Finsternis die Gefahren des Unbekannten. So stellt Wolfgang Schivelbusch fest, dass der Nacht in der Mythologie eine beklemmende Rolle zukommt: „Nach Einbruch der Dunkelheit herrschen andere Mächte als tagsüber. In der Symbolik und den Mythen der meisten Völker ist die Nacht das Chaos, der Schauplatz der Träume, sie wimmelt von Gespenstern und Dämonen wie das Meer von Fischen und Seeungeheuern.“ (1) Nyx, die griechische Göttin der Nacht, gebar Thanatos, den Tod. (2) Dabei ergibt sich neben diesen düsteren Konnotationen auch eine positiv besetzte Seite der Nacht: Durch den Traum – ebenfalls ein Sohn der Nyx – kann sie wichtige Quelle für Imagination und Inspiration sein.
Damit sind einige Aspekte genannt, die das assoziationsreiche Setting dieser Ausstellung andeuten. Was zeichnet nun diese Nachtfotografien aus? Zunächst verbindet die Beobachtung, dass Alltägliches in der Finsternis ungewohnt erscheinen kann, die Nacht mit der Fotografie. Denn das fotografische Verfahren birgt ein Potential zur Verfremdung in sich, das von einigen Arbeiten der Ausstellung in Szene gesetzt wird. Ein Beispiel wäre Berenice Abbotts „Designer’s Window, Bleeker Street“. Der weiße Hirsch scheint dem Passanten entgegen zu schweben. Der Schnappschuss verwandelt das mondäne Schaufenster in einen surrealen Guckkasten. Auch die Tulpen Giovanni Castells werden durch den dunklen Hintergrund zu einem fremdartigen Wonderland. Fritz Simak bedient sich wiederum der nächtlichen Straßenbeleuchtung, um ein abstraktes Geflecht von Ästen und Schatten in seine Aufnahmen einzuschreiben ("Schönbrunn 2").
Der Umgang mit natürlichen und künstlichen Lichtquellen stellt eine weitere Herausforderung dar, die einige der ausgestellten Arbeiten verbindet. So setzt sich Robert Zahornicky mit Effekten des Blitzlichts auseinander, wenn er Palmenkronen fotografiert ("Naxos"). Die harten Konturen zwischen beleuchtetem Blatt und dunkler Nacht stehen den feinen Lichtnuancen in Nikolaus Korabs „Nachtlicht“ entgegen. Das Thema Beleuchtung wird wiederum bei Adolf Fassbender und Daniele Cametti Aspri evident. Ersterer stellt den Leuchtturm als Orientierungspunkt für nächtliche Seefahrer dar ("Sailor's Guide"). Das Licht dringt als bewusstes Signal nach außen. Bei Canetti ergibt sich die wunderbare Beleuchtung des Palazzos lediglich als Nebeneffekt ("Il Palazzo..."). Dagegen bilden natürliche Lichterscheinungen den Ausgangspunkt für die Arbeiten von Ansel Adams ("Moonrise…")und Hannes Kilian ("5-terre…"), sie widmen sich der Strahlkraft des Mondes.
Abschließend sei ein letzter Vergleich erwähnt. Fritz Simaks Aufnahme „Gürtel“ führt dem Betrachter ein menschenleeres Wien vor Augen, das ein befremdliches Gefühl vermittelt. Im selben Atemzug wirkt der Gehweg entschleunigt: Die Nacht vertreibt die Hektik aus der Stadt. Im Gegensatz dazu fängt Sophie Pölzl durch eine Lochkamera Porträts ein, die ausschließlich eine Person zeigen. Die Umgebung löst sich zugunsten der Konzentration auf den Menschen auf. Auf der einen Seite ergibt sich Stille durch Abwesenheit. Andererseits bietet die Abgrenzung gegenüber der Welt eine Chance, zu sich zu finden. Entscheidend ist in beiden Fällen der Schleier der Dunkelheit. In der Finsternis scheint eine Ruhe möglich, die am Tag verwehrt bleibt.
Nikolaus Kratzer
1 – Wolfgang Schivelbusch, Lichtblicke. Zur Geschichte der Helligkeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2004, S. 83.
2 – Michael Grant und John Hazel, Lexikon der antiken Mythen und Gestalten, München 2001, S. 296.