Publikation
von Margit Zuckriegl
EIKON #126
5/2024, Seite 44–45
Neben ihren dokumentarischen Fotoserien zur Wiener Peripherie aus den 1960er Jahren, die zum Bedeutendsten der jüngeren österreichischen Fotogeschichte gehören, ist es die große Werkgruppe der Blumenbilder, die Elfriede Mejchar als eigenwillige, höchst individuelle Fotokünstlerin ausweist. Mejchar sieht im Werden und Vergehen der Blüte ein Inbild von Zeit und Zeitlichkeit ganz allgemein; es wird nicht ein Moment aus dem zeitlichen Ablauf herausgegriffen, sondern ein organischer Vorgang beobachtet, der sich am Besonderen des Auf und Verblühens ablesen lässt. Jedes Blumenbild zeigt einen Zustand im Leben oder Sterben der Blüte: In einem einzigen Bild ist das Keimen, Knospen, Sprießen, Blühen und Abblühen – bis hin zum Wissen um den kargen Rest des leeren Blütenstandes – enthalten. Gerade so spektakuläre Blumen wie Lilien oder Amaryllen stellen, einem Schauspiel gleich, die konzentrierte Handlung als Veranschaulichung des Vergänglichen dar. Sie sind gleich sam die Agierenden auf Mejchars FotoBühne, die Darsteller des von ihr inszenierten Dramas. Die Fotografin zeigt die verschiedenen Phasen im Leben der Pflanzen anhand scharf gezeichneter Strukturen, eines Wech sels von Hell und Dunkel, einer prononcierten Nahsicht vor neutralem Hintergrund. Besonders sinnlich, ja gerade ins Erotische spielend, zeigen sich die Farbfotografien, die neben der stark strukturierten Linienführung und Konturierung das nahe an menschliches Inkarnat heranreichende Kolorit vorführen. Im Jahr der 100. Wiederkehr ihres Geburtstags erinnern die aktuellen Ausstellungen in Wien, Salzburg und Krems sowie eine um fassende Publikation an die 2020 verstorbene Elfriede Mejchar. Gerade ihre Blumenbilder sind heute mehr als Untersuchungen zum Werden und Vergehen des Organischen, sie sind historische Belege für Mejchars generelle Bildauffassung – und dazu gehört auch das Schöne, dem sie immer auf der Spur war, sowie das Wissen um die Gefährlichkeit, allein dem Schönen zu trauen.