Ansicht vorne
Inv. Nr.S-0819
KünstlerArnold Odermattgeb. 1925 in Oberdorf, Schweiz
Titel

"Stansstad, 1958"


Odermatt Archiv: #650

aus der Serie "Karambolage"
Jahr1958
Technik

Gelatinsilberabzug (analog)

Bildgröße40 x 30 cm
Auflage4/8
Signatur

rückseitig signiert, datiert, betitelt, nummeriert (Bleistift)

Kommentar

Als Arnold Odermatt 1948 den Dienst bei der Kantonspolizei Nidwalden antrat, mussten die Dorfpolizisten ihren Rapporten noch Zeichnungen von Unfallort oder Tathergang beifügen. Odermatt begann schon am zweiten Arbeitstag damit, seine Berichte um Fotografien zu ergänzen. Und weil das maßstabsgetreue Zeichnen nicht jedes wackeren Kantonspolizisten Sache war, wurde der neue Kollege oft herbeigerufen, wenn in einer der elf Nidwaldner Ortschaften mal wieder ein Heuwagen und ein Auto zusammengeprallt waren oder ein Cabrio in den See gerast war. Odermatt hatte sein Hobby im Handumdrehen in sein Berufsleben integriert. Als drei Jahre später Nehru, der damalige Ministerpräsident Indiens, in die Schweiz kam, lernte Odermatt den berühmen Magnum-Fotografen Werner Bischof kennen: der Polizist sollte den Präsidenten bewachen, Bischof wollte ihn fotografieren und gab dem Kollegen in Uniform den Rat, die Möglichkeiten seines Berufs zu nutzen: Als Polizist komme er an Motive, die anderen unzugänglich seien. Odermatt hat den Rat beherzigt, aber es war nie das Spektakuläre, was ihn interessiert hat. Die Karambolagen, die er festhielt, gleichen oft sachlichkühlen Stilleben des automobilen Zeitalters. Unfallopfer muss es reichlich gegeben haben in den fünfziger und sechziger Jahren rund um den Vierwaldstätter See, aber Menschen sind auf diesen Bildern nicht zu sehen. Sie halten nur fest, welch schreckliche Folgen die außer Kontrolle geratene Beschleunigung für die tote Materie aus Blech, Glas und Gummi haben kann. Und sie zeigen Odermatts Kollegen bei der Arbeit, beim Sichern des Unfallorts, beim Vermessen der Bremsspuren, beim Bergen der Wracks. Aber in den sechziger Jahren muss die Kantonspolizei Nachwuchssorgen bekommen haben, und so ging Odermatt daran, den Arbeitsalltag seiner Kollegen gezielt in Szene zu setzen: Er machte Aufnahmen, die die Arbeit der Kantonspolizei so attraktiv und vielseitig wie möglich erscheinen lassen sollten - Reklame für die Polizei. Odermatt fotografierte seine Kollegen als schneidige Scharfschützen und Motorradakrobaten (unsere Abbildungen), er zeigte sie zu Wasser, zu Lande und in der Luft, auf Skiern und im Motorboot, als Gebirgsjäger und als Radarfallensteller auf der 
Autobahn. Vieles wirkt heute unfreiwillig komisch, anderes geradezu anrührend oder schlicht verblüffend wie der Anblick der hölzernen Fernschreiber oder der wie handgeschmiedet wirkenden Bürotelefonanlagen der sechziger und siebziger Jahre. Als Arnold Odermatt 1990 aus dem Polizeidienst ausschied, war er Oberstleutnant, Chef der Verkehrspolizei und Vizekommandant der Nidwaldner Kantonsplizei. Das ist nicht wenig, aber es sollte noch besser kommen. Drei Jahre später wurden seine Fotografien erstmals ausgestellt, und 2001 zierten sie bereits die Biennale in Venedig.
(Hubert Spiegel, FAZ, 21.4.2007)

S-0819, "Stansstad, 1958"
Arnold Odermatt, "Stansstad, 1958", 1958
S-0819, Ansicht vorne
© Urs Odermatt, Windisch / Bildrecht, Wien
S-0820, Arnold Odermatt, "Emmetten, 1959", 1959
Arnold Odermatt, "Emmetten, 1959", 1959
mehr InfoS-0820, Ansicht vorne
© Urs Odermatt, Windisch / Bildrecht, Wien
S-1645, Arnold Odermatt, "Hergiswil, 1966", 1966
Arnold Odermatt, "Hergiswil, 1966", 1966
mehr InfoS-1645, Ansicht vorne
© Urs Odermatt, Windisch / Bildrecht, Wien