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Inv. Nr.S-0018
KünstlerFranz Fiedlergeb. 1885 in Proßnitz (heute: Prostějov), Tschechische Republikgest. 1956 in Dresden, Deutschland
Titel

"Abendopfer"

Jahr1920er, vintage
Technik

Gelatinesilberabzug

Bildgröße28 x 22 cm
Signatur

"F. Relief" Pseudonym (siehe Franz Fiedler, Lachendes Leben, 1925).

Kommentar

Der Rückenakt zeigt eine junge, schöne Frau, die offensichtlich leidend und in sich gekehrt vor einem Brandopfertisch auf ihr Ende wartet. Der bereits aufziehende Rauch der Opfergabe und der Titel Abendopfer zeichnen eine Parallele zu den Abendopfer im Tempel in Jerusalem, wo täglich am Morgen und am Abend ein Brandopfer dargebracht wurde (Ex 29,38-42Num 28,3-8). Fiedler zwingt uns damit eine eindeutig moralische Interpretation auf und ordnet sich mit seiner Komposition dem vorherschenden Symbolismus in der Kunstgeschichte zu.
"Das Motiv des Todes und der Jungfrau ist wohl eines der beliebtesten in der bildenden Kunst. Angefangen bei Werken der Renaissance, etwa von Hans Baldung Grien, über Werke von Egon Schiele und Musikstücke aus dem 19. Jahrhundert bis hin zu Werken der zeitgenössischen Kunst in Theater und Literatur erscheint der Tod als Verführer und Liebhaber junger Frauen und erinnert sie auf groteske Weise an die Endlichkeit und Vergänglichkeit von Jugend, Schönheit und Leben. Die Bedrohlichkeit des Motivs ist der Ausgangspunkt für jene Darstellungsformeln, die vor allem mit moralischen Aspekten verbunden sind."1
Franz Fiedler, als Schüler des bekannten deutschen Porträtfotografen Hugo Erfurth, beschäftigte sich unter anderem selbst ein Leben lang mit dem fotografischen Porträt. Fiedler veröffentlichte zahlreiche Lehrbücher über Bildkomposition und Lichtsetzung in der Porträtfotografie.
Franz Fiedler war zur Zeit der Entstehung der Aufnahme auch als Vertreter der künstlerischen Fotografie zur I. Internationale kunstphotographische Ausstellung in Wien 1929 geladen. Diese wichtige Fotoausstellung der Amateurfotografen zeigt die Bedeutung Fiedlers in der Szene im deutschsprachigen Raum. "Der Verband österreichischer Amateurphotagraphenvereine erachtet es nun als seine Pflicht, in der Bundeshauptstadt eine große Schau der Leistungen seiner Vereine und ihrer Mitglieder zu bringen und der Öffentlichkeit von seinen Zielen, Arbeiten und Erfolgen Kenntnis zu geben. Ist es doch sein Bestreben, vor allem die künstlerische Seite der Photographie zu fördern und so den guten Ruf der österreichischen Lichtbildkunst zu mehren."2
Fiedlers Bildkompositionen und die symbolische Beladung des Bildes sowie die Tatsache, dass er sich in den 1920er Jahren in Wien aufgehalten haben muss, lassen den Schluss zu, dass er auch Kontakt zur Bewegung der Wiener Sezession hatte.
(Christoph Fuchs)

 

Künstlerische Aktaufnahmen

Die Aktphotographie wird nicht mit Unrecht von weiten Volkskreisen in Bezug auf ihren künstlerischen Wert und ihre Zweckbestimmung mit Argwohn betrachtet. Die photographische Treue in der Wiedergabe und das oft mangelnde ästhetische Taktgefühl in der figürlichen Anordnung beeinträchtigen eine unbefangene, künstlerische Würdigung. Die Bestrebungen, Aktaufnahmen bildmäßig zu gestalten, schlagen in der Regel fehl, weil das Wesen der künstlerischen Aktdarstellung zunächst in der Pose oder der Schönheit der Modelle gesucht wird. Gewiß kann ein schöner menschlicher Körper viel zum Gelingen einer künstlerischen Aktdarstellung beitragen. Für die Darstellung selbst ist jedoch die Wiedergabe der Bewegung, das Widerspiel von Linie, Fläche und Plastik, die Verteilung von Licht und Schatten im Raum und an der Figur u. a. m. weit ausschlaggebender. Abgesehen davon, daß der Mensch in seinen äußeren Proportionen selten vollkommen ist, liegen bekanntlich in der photographischen Wiedergabe selbst mit ihrer Verfälschung der Tonwerte, der über- oder untertriebenen Perspektive der beschränkten Schärfenzone derart viele Mängel, daß mit wenig Aus nahmen photographische Aktbilder von wahrhaft Kunstverständigen als Arbeiten von künstlerischem Wert abgelehnt und nur als Photographien betrachtet werden, die mehr erotische als künstlerische Zwecke verfolgen, es sei denn, daß sie sportlichen oder wissen schaftlichen Zwecken dienen oder als Studienmaterial für den Künstler gedacht sind. In diesen Fällen sind es Aktphotographien, nichts weiter.
Die Scheidung zwischen einer wahrhaft künstlerischen Aktdarstellung und dem photographischen Aktbild, das mehr oder weniger klare Ziele verfolgt, muß einmal gemacht werden, da unter dem Deckmantel der Kunst sich allerlei photo graphische Aktwerke im Handel breitmachen, die mehr den Sinn für Pornographien als den Sinn für die Schönheit des menschlichen Körpers und seine Beziehungen zur Na tur wecken. Welche Anforderungen muß also eine bildmäßige photographische Akt darstellung erfüllen?
Diese Frage ist oft gestellt worden und läßt sich allgemein nur dahin beantworten, daß das Aktbild so zu gestalten ist, daß es einen Gedanken oder eine Idee in Form und Bewegung so sichtbar zum Ausdruck bringt, daß es die Phantasie des Betrachtenden mitschwingen läßt. Nicht das Konkrete oder Zeitliche des photographischen Aktbildes, sondern die Idee in ihrer ewigen, formalen und rhythmischen Gestaltung soll uns fesseln und beschwingen. Das kann natürlich nur geschehen, wenn die Idee des Bildes durch Hervorheben des Wesentlichen und Charakteristischen unter Zurückdrängung alles Nebensächlichen betont wird. Derartige Darstellungen erfordern allerdings künstlerische Intuition und Gestaltungskraft, die entweder angeboren oder durch künstlerische Erziehung und Durchbildung erworben werden.
Ohne uns mit der Frage, ob mit Hilfe der Photographie Kunstwerke hervorge bracht werden können, auseinanderzusetzen, erscheinen uns die vorliegenden Arbeiten des Dresdner Lichtbildners Franz Fiedler jedenfalls von einem starken künstlerischen Im puls getragen. Erinnern uns doch einige der Akte unwillkürlich an biblische Darstellungen oder an Motive, die an Vorgänge aus der Kultur- und Kunstgeschichte an klingen. Ohne daß man Gestelltes empfindet, ist es in fast allen Darstellungen der Rhythmus der Natur, der die Anordnung und den Aufbau der Motive bewegt. Wir über sehen bei der Betrachtung die dargestellte Nacktheit an sich und werden von der Idee des Bildes in seiner Gesamtheit beeinflußt. Der Akt als solcher wird objektiviert und gestattet eine unbefangene, ästhetische Betrachtung, die jede Erinnerung an die Zufälligkeit der Person aufhebt. Nur so ist eine ideale Darstellung des menschlichen Aktes zu geben.
(Karl Weiß, aus: Franz Fiedler, Künstlerische Aktaufnahmen, Berlin 1925)
digitalisierte Version 

 

1
SKD, The Daulton Collection, Los Altos Hills, California (US)

2
VI. Internationale Jubiläums-Ausstellung. Wien, Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, Wien, 1953.

S-0018, "Abendopfer"
Franz Fiedler, "Abendopfer", 1920er
S-0018, Ansicht vorne
© Franz Fiedler Nachlass