"Raumschwingung"
glänzender Gelatinesilberabzug
rückseitiger Stempel
1949 gehörte Keetman zu den Gründern der Gruppe fotoform, die mit ihren experimentellen, graphisch prägnanten Werken an die fotografische Avantgarde der 1920er Jahre anknüpfte. Den Einfluss, den die „Neuen Fotografen“ der Weimarer Zeit auf ihn ausübten, wusste er mit seiner eigenen, individuellen Wahrnehmung der ihn umgebenden Wirklichkeit zu verbinden und in eine neue, zeitgemäße Ästhetik zu überführen. Während seiner mehrere Jahrzehnte umspannenden fotografischen Tätigkeit richtete er seinen Blick auf wiederkehrende Sujets. Visuell reizvolle Phänomene, die die Natur und Dingwelt bereithalten, interessierten ihn: Die Transparenz eines Wassertropfens, der diffuse Rauch einer Zigarette, Kondenswasser, in dem sich das Licht bricht, kristallene Eisbildungen, Spiegelungen und Reflexionen, Dampf und Nebel. Durch das Objektiv seiner Kamera isolierte er diese optischen Erscheinungen und übersetzte sie in Bilder von strenger, graphischer Schönheit. „Wir sind – ob wir das nun zur Kenntnis nehmen oder nicht – von einer Welt voller gesetzmäßiger Wunder umgeben“ hielt Peter Keetman in späteren Jahren fest. Diese Wunder sichtbar zu machen, darin sah er seine Aufgabe als Fotograf.
(Julian Sander Galerie)
Besonders gefragt, da rein abstrakt und somit vielseitig einsetzbar, waren im Kontext der Werbung Keetmans sogenannte Lichtpendel-Schwingungen, die zwischen 1948 und 1955 in zahlreichen Varianten entstehen. In diesen Bildern verlässt der Fotograf die ureigene Domäne der Fotografie, die Abbildung der äußeren Welt, um allein die Lichtspur einer an einem Draht oder Seil befestigten Taschenlampe aufzuzeichnen, die er in der Dunkelkammer über dem Verschluss der Kamera pendeln lässt. Was durch die Schwingung entsteht, sind filigrane, rhythmisch strukturierte Gebilde, reine "Lichtmalerei", oder, wie Gottfried Jäger es fasst, "Bilder ohne Worte". Gerd Sander beschränkte sich, was diese umfangreiche Serie betrifft, auf den Erwerb eines einzigen Blattes [Anm. die vorliegende Arbeit stammt aus der Sammlung Gerd Sander]. Eine sehr begrenzte, dabei gezielte Wahl, handelt es sich hier doch um jenes Motiv, das Otto Steinert für seinen 1952 erschienenen Katalog zur ersten Ausstellung subjektive fotografie auswählte.
(Ralf Sachsse, aus: Galerie Julian Sander, Keetmann. Gerd Sander Collection, 2023)