Bild des Monats
Julia Rohn
"Strohhalmstudie (3)"
Petra Noll-Hammerstiel
"Strohhalmstudie (3)" ist Teil einer fotografischen Serie von auf blauem Grund komponierten, leuchtend bunten Kunststoff-Trinkhalmen. Trotz der Inszenierung wirkt die Anordnung experimentell und unvorhergesehen: Wie beim Mikado-Spiel scheinen die Stäbchen zufällig hingefallen zu sein. Die Aneignung des industriellen Massen- und Einwegprodukts für die Herstellung von Kunst weist auf Julia Rohns prinzipielles Interesse an dem Verhältnis von Alltags- bzw. Konsum- und Hochkultur hin. Hierbei untersucht sie in erster Linie die Visualisierung von Produkten in der Werbung, die diese traditionell in überglatter Warenästhetik darstellt, suggestiv auf die Sinne der Menschen wirkt, Wünsche stimuliert und oft überhaupt erst Bedürfnisse erzeugt.
Auch bei Rohn sprechen die Trinkhalme mit ihrer glänzenden Oberfläche, ihrer transparenten Materialität und lockenden Farbigkeit die Sinne an. Und dennoch liegt in diesem Arrangement im Vergleich zur Werbefotografie ein ironischer Bruch: Zum einen sind die Halme in einem sinnlich-poetischen "Chaos", einem freien, dynamischen Spiel mit Farbe und Form inszeniert. Zum anderen handelt es sich um "banale" Gegenstände aus Kunststoff, die hier in Anlehnung an malerisch-abstrakte Kompositionen – die Abstraktion wird noch potenziert durch den Transfer in die zweidimensionale Fotografie – gänzlich ihre inhaltliche und funktionale Bedeutung verlieren und zu Kunst avancieren. Julia Rohns Arbeiten, so auch diese Serie, sind immer Auseinandersetzungen mit Problemen der Malerei. "Strohhalmstudie (3)" reagiert auf traditionelle Signifikanten von Malerei wie Perspektive, harmonische Farbauswahl und ausgewogene Komposition mit frecher Form- und Farbgebung, die, wie auch ihre Putzschwamm- und Flüssigseifenbilder, auf das formale Vokabular der Pop Art verweisen.
(veröffentlicht im Eikon, Nr. 98, 2017)
Julia Rohn
"Strohhalmstudie (3)", 2016, pigmentbasierter Tintenstrahldruck auf Aluminum-Dibond, 70 x 50 cm
© Julia Rohn